CE-Kennzeichnung
Um Medizinprodukte in Verkehr zu bringen bzw. in den europäischen Markt einzuführen, brauchen sie eine CE-Kennzeichnung. Um das CE Zeichen anbringen zu dürfen, durchläuft jedes Medizinprodukt das Konformitätsbewertungsverfahren. Je nach Risikoklasse des Produkts muss das Verfahren den Risikoklassen entsprechend durchgeführt werden. Bei allen Medizinprodukten der höheren Risikoklassen ist die Bewertung des durchgeführten Verfahrens durch eine Benannte Stelle durchzuführen. Dies sind z.B. TÜV, DQS, Medcert usw., um nur drei zu nennen.
In der Praxis
In der Praxis bedeutet das für die Unternehmen ein aufwändiges Verfahren der korrekten Dokumentation, Regelung, Kontrolle sowie Darlegung aller Prozesse angefangen von der Produktentstehung bis zur Rückverfolgbarkeit und Überwachung des Produkts im Markt. Das bedeutet also die Erfassung aller Aktivitäten des Produktlebenszyklus mitunter auch bis zur korrekten Entsorgung. Dreh und Angelpunkt ist die Technische Dokumentation, in der alle Anforderungen dokumentiert nachgewiesen werden. Die rechtlichen Anforderungen an Produktsicherheit und Transparenz steigen in Zukunft mit der Einführung der neuen Medizinprodukte Verordnung (MDR). Gerade für kleine Unternehmen sind deshalb gesetzeskonforme aber auch pragmatische und zielführende Lösungen notwendig, um im Markt zu bestehen.
Eine kurze Übersicht zu den Schritten bis zur Marktzulassung finden Sie hier.
Die neue Verordnung über Medizinprodukte - Was ist neu?
Die MDR enthält alle regulatorischen Anforderungen an aktive implantierbare Medizinprodukte und alle sonstigen Medizinprodukte außer IVD. Somit wurden die Richtlinie 90/385/EWG und die Richtlinie 93/42/EWG in die neue Verordnung integriert.
Im Vergleich zu den bisherigen Richtlinien hat sich der regulatorische Aufwand sehr stark gesteigert. Während die Richtlinie 93/42/EWG 23 Artikel und die Richtlinie 90/385/EWG nur 17 Artikel brauchten, hat die neue Verordnung über Medizinprodukte 123 Artikel! Zu den 123 Artikeln gesellen sich noch 17 Anhänge. Nachfolgend einige wichtige Neuerungen in der MDR.
Produktgruppen
Eine sehr bedeutende Veränderung betrifft die Erweiterung der Produktgruppen, die unter die MDR fallen. Bisher fielen nur Produkte mit medizinischer Zweckbestimmung in den Anwendungsbereich der Richtlinien. In der neuen Verordnung werden auch Produkte ohne medizinische Zweckbestimmung reguliert. Dies betrifft Produkte die beispielsweise für ästhetische Zwecke genutzt werden. Zu diesen Produkten zählen Kontaktlinsen und Implantate, die zur Modifizierung der Anatomie oder Fixierung von Körperteilen genutzt werden. Zu diesen Produkten zählen auch Stoffe, die in die Haut eingeführt werden. Das betrifft natürlich die Schönheitschirurgie. Die genaue Definition solcher Produktgruppen ist in Anhang XVI der MDR zu finden.
Software
In der neuen MDR wird Software ausdrücklich nach ihrer Zweckbestimmung unterschieden zwischen Software als Medizinprodukt und Software für allgemeine Zwecke. Software also auch Apps für Lifestyle und Wohlbefinden, fallen nicht unter die Medizinprodukte-Verordnung (siehe Erwägungsgrund 19 der MDR).
IVD - Kombinationsprodukte
Die Unterscheidung zwischen Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika (IVD) bleibt weiterhin bestehen. Die IVDs werden in Zukunft durch einen eigene IVD-Verordnung geregelt. Es bleibt bei der Trennung, wie auch in der Vergangenheit durch die eigene Richtlinie 98/79/EG für IVD. Bei Produkten, die eine Kombination zwischen Medizinprodukt und IVD bilden, gilt stets die MDR für das Gesamtprodukt (Art. 1 Abs. 7 MDR).
Wirtschaftsbeteiligte
Die MDR definiert ab Artikel 10 ff Wirtschaftsbeteiligte (Hersteller, Bevollmächtigte, Importeure, Händler) und definiert deren Pflichten detaillierter als zuvor. Die Hersteller müssen für den Fall eines Personenschadens Vorkehrungen treffen, die der Risikoklasse, der Art des Produkts und der Unternehmensgröße angemessen sind, um eine ausreichende finanzielle Deckung im Haftungsfall sicherzustellen. Die Hersteller werden verpflichtet, ein Risikomanagement- und ein Qualitätsmanagementsystem einzuführen.
Für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften verantwortliche Person
Hersteller werden gemäß Artikel 15 verpflichtet eine Person mit dem erforderlichen Fachwissen auf dem Gebiet der Medizinprodukte, die für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften verantwortlich ist, zu benennen. Das Fachwissen muss anhand Zeugnissen und Qualifikationen nachgewiesen werden. Die verantwortliche Person ist z.B. für die Prüfung der Konformität der Produkte gemäß QM-System, technische Dokumentation und Überwachung nach dem Inverkehrbringen verantwortlich.
Diese Position ist ähnlich der sog. Qualified Person bzw. Sachkundigen Person bei Pharmaherstellern.
Klein- und Kleinstunternehmen im Sinne der Empfehlung 2003/361/EG sind von der Pflicht freigestellt, in Ihren Organisationen eine für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften verantwortliche Person „zur Verfügung zu haben“, sie müssen jedoch dauerhaft auf eine solche Person zurückgreifen können.
PMCF
Des Weiteren werden Hersteller nun verpflichtet, eine klinische Nachbeobachtung nach dem Inverkehrbringen zu etablieren. Für Klasse I Produkte muss ein Post Market Surveillance Bericht erstellt werden (Art. 85). Für Produkte ab Klasse IIa muss zusätzlich ein Post Market Clinical Follow Up Plan (PMCF-Plan) und ein PMCF-Bericht erstellt werden (Art. 86).
Technische Dokumentation
Die technische Dokumentation muss nach wie vor vom Hersteller verfasst werden und die Durchführbarkeit des Konformitätsbewertungsverfahrens ermöglichen. Mit den neuen Anhängen II und III werden die Anforderungen jedoch präzisiert. Insbesondere mit dem Anhang III wird eine eigene Dokumentation für die Aufrechterhaltung der Aktualität der technischen Dokumentation verlangt.
UDI
Die UDI Datenbank soll die Rückverfolgbarkeit von Medizinprodukten verbessern. Die Abkürzung UDI steht für „Unique Device Identification“. Hersteller müssen in Zukunft ihre Produkte mit der UDI kennzeichnen, sonst dürfen sie ihre Produkte nicht in Verkehr bringen. Zusätzlich müssen Hersteller, Bevollmächtigte und Importeure sich selbst und ihre Produkte in Eudamed registrieren lassen.
Benannte Stellen
Die Benannte Stelle muss mind. innerhalb von 5 Jahren nach dem Zufallsprinzip unangekündigte Vor-Ort-Audits bei Herstellern, Zulieferern und Subunternehmern machen. Das betrifft insbesondere Hersteller, die ihr Konformitätsbewertungsverfahren über ihr überwachtes QM-System durchgeführt haben. Unangekündigte Audits werden heute schon durchgeführt, nachdem die EU-Kommission im September 2013 die Empfehlung zur Durchführung solcher herausgegeben hat. Dies wurde von den nationalen Behörden im Jahr 2016 aufgegriffen und in einer Bekanntmachung zur Vorgehensweise veröffentlicht.
Risikoklassen
Die neue Medizinprodukteverordnung enthält in Anhang VIII konkrete Defintionen, Anwendungsregeln und Klassifizierungsregeln, die der Hersteller bei der Klassifizierung zu beachten hat. Die Unterteilung in die Risikoklassen I, IIa, IIb und III bleibt bestehen. Die Klassifizierungsregel 11 für Software ist neu. Sie ist auf unabhängige Software anzuwenden. Steuerungssoftware wird auch in Zukunft der gleichen Risikoklasse des Produkts zugeordnet (Anh. VIII Abschn. 3.3 MDR).
Die Regel 21 in den Klassifizierungregeln umfasst stoffliche Medizinprodukte wie z.B. Meerwassernasensprays. Insgesamt werden die stofflichen Medizinprodukte nach den Kriterien Ort der Anwendung, Absorption und Verwendungszweck zu den Klassen IIa, IIb und III zugeordnet.
Insgesamt wird dies dazu führen, dass die meisten stofflichen Medizinprodukte höher klassifiziert werden.
Konformitätsbewertung
Im Konformitätsbewertungsverfahren wird auch in Zukunft geprüft und festgestellt, ob ein Produkt alle Anforderungen der MDR erfüllt. Unabhängig von der Wahl der Art des Konformitätsbewertungsverfahren (Anh. IX – XI, MDR), steht der Anhang I mit den grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen nach wie vor im Mittelpunkt der Betrachtung (Kurz: Grundlegende Anforderungen oder Essential Requirements). Für viele Produkte existieren zur Beweisführung der Konformität mit den Anforderungen aus Anhang I, sogenannte harmonisierte Normen. So z.B. die EN ISO 14971 für Risikomanagementprozess oder andere harmonisierte Produktnormen. Bei Produkten, die die Anforderungen harmonisierter Normen ganz oder teilweise erfüllen, gilt die Konformitätsvermutung (Art. 8 Abs. 1 UAbs. 1 und 2 MDR).
Der Artikel 52 zur Konformitätsbewertung hält im Absatz 7 eine Neuerung bereit, die einen starken Mehraufwand für Hersteller bestimmter Medizinprodukte der Klasse I bedeutet. Bei Klasse I Produkten, die in sterilem Zustand in Verkehr gebracht werden, bei Produkten die eine Messfunktion haben und bei wiederverwendbaren chirurgischen Instrumenten muss der Hersteller die Konformitätsbewertung auf der Grundlage eines QM-Systems und einer Bewertung der technischen Dokumentation gemäß Anhang IX Kapitel I durchführen oder das in Anhang XI Teil A aufgeführten Verfahren zur Produktionsqualitätssicherung anwenden.
Diese Klasse I Produkte werden unterteilt in die Unterklassen „Is“ für „steril“, „Im“ für „Messfunktion“ bzw. measuring“ und „Ir“ für „reusable“.